Eine Taschenuhr von
Johann Georg Thiel aus Bremen

In diesem Beitrag möchte ich eine Uhr vorstellen, die mir durch den regionalen Bezug gefällt und weil der Uhrmacher durch eine andere Uhr bekannt geworden ist, die eine Nebenrolle in einer der wichtigsten Phasen der Uhrmacherei gespielt hat.

Die hier vorgestellte Uhr wurde vermutlich um 1760 gefertigt. Die Uhr ist mit 42mm Gehäusedurchmesser erstaunlich klein (Höhe mit Glas 25mm). Sie ist sehr gut erhalten und fein verarbeitet. Das zweite Gehäuse enthält ein schönes Watchpaper aus der Region. Das Gehäuse passt von den Maßen sehr gut zum inneren Gehäuse, könnte aber später ersetzt worden sein.

Die Quellenlage zum Uhrmacher und zur Uhr ist spärlich. Das meiste über den Uhrmacher wissen wir aus zwei Vorlesungen des Bremer Arzt und Astronomen Wilhelm Olbers (1758-1840), die er vermutlich 1805 vor der Bremischen Museumsgesellschaft hielt. Ich bediene mich im Folgenden aus einem Kapitel einer Publikation aus der Reihe Neue Welten mit dem Titel „Wilhelm Olbers und die Naturwissenschaften um 1800“, das von Günther Oestmann geschrieben wurde. Hier einiges zu Olbers:
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Wilhelm_Olbers

In der Vorlesungen beschreibt Olbers die Probleme der Navigation auf See, er gibt einen geschichtlichen Überblick über die Entwicklung der Räderuhren. Dann kommt er zum eigentlichen Thema „Über die Seeuhr des Herrn Thiele“. Diese Uhr war der Museumsgesellschaft schon im Jahr 1786 durch den Bremer Kaufmann Peter Wilckens geschenkt worden. Es handelt sich um ein Taschenchronometer mit der Seriennummer 2, das von dem Bremer Uhrmacher Johann Georg Thiel gebaut worden ist. Die N° 2 ist leider nicht erhalten. Die baugleiche N° 1 aus dem Jahr 1768 liegt in der Sammlung wissenschaftlicher Instrumente und Uhren des Württembergischen Landesmuseums Stuttgart. Auch diese Uhr befand sich zuvor im Besitz von Peter Wilckens. Thiel ist von Wilckens lange finanziell unterstützt worden.

Johann Jürgen (Georg) Thiele wurde am 25.3.1714 in Bremen geboren. Sein Vater stammte ursprünglich aus Hamburg, er war ebenfalls Uhrmacher und trug den gleichen Namen. Er erwarb 1705 das Bürgerrecht in Bremen. Sein Sohn bekam das Bürgerrecht 1747, er heiratete im gleichen Jahr und er verstarb 1784. Im Liebfrauenkirchhof in Bremen lebte und arbeitete er.

https://watch-wiki.org/index.php?title=Thiell,_Johann_Georg

Im 18. Jahrhundert entspann sich ein Wettlauf um die Entwicklung einer Methode zur genauen Bestimmung des Längengrades. Befeuert wurde die Suche danach durch einen Preis von 20.000 Pfund, den das englische Parlament 1714 auslobte. Die Geschichte dürfte im Zusammenhang mit John Harrison bekannt sein, dem der Preis für seine letzte Uhr, die H4 fast vollständig zugesprochen wurde. Seine Uhren liegen im Museum der Oberservatoriums von Greenwich. Die Geschichte seines Lebens findet sich in dem lesenswerten Buch „Längengrad“ von Dava Sobel und hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/John_Harrison_(Uhrmacher)

Mit der Uhr N°1 hat sich Thiel 1778 in London ebenfalls um den Preis des Longitude Boards beworben. Das Urteil in den Protokollen des Boards war allerdings enttäuschend: „The Astronomer Royal reported that Mr Thiels Watch, which was produced at last Board, hat been tried for three or four days at the Royal Observatory, but he did not find that it went better than a common watch, and therefore caused ist to be taken away, ist being unnecessary to make any further trial of it.“

Die Ganggenauigkeit der Uhr war wohl tatsächlich nicht so toll. Vereinzelte Spekulationen, dass die Ablehnung ihren Grund in der Herkunft der Uhr und nicht in ihrer Qualität hat, lassen sich nicht belegen. Eine ausreichend genaue Bestimmung des Längengrades wäre mit der Uhr nicht möglich gewesen. Das haben spätere Versuche bestätigt und ist in ihrem komplizierten Aufbau begründet.

Soweit eine Zusammenfassung dessen was ich aus den Arbeiten anderer zu Thiel gefunden habe. Insbesondere der Artikel von Herrn Oestmann war sehr hilfreich. Dort wird auch angegeben, dass von Thiel nur eine Standuhr in Wolfenbüttler Privatbesitz bekannt ist. Das stimmt vermutlich nicht, denn auf der Website von watch-wiki.org wird eine weitere Taschenuhr gezeigt. Insofern ist die hier vorgestellte Uhr vermutlich die dritte erhaltene Taschenuhr dieses Uhrmachers. Sie besticht durch ihre gute Verarbeitung und läßt die Fähigkeiten Thiels erahnen. Wenn das angenommene Baujahr 1760 stimmt, wurde sie vor der Reise nach London und der Bewerbung um den Preis des Longitude Boards hergestellt. Der ausgezeichnete Erhaltungszustand ist ungewöhnlich und die Funktion der Uhr ist in vollem Umfang gegeben.